Die Bibelstelle 1.Timotheus 5,22 verunsichert einige Christen. Darf ich jemanden die Hände auflegen, wenn ich für die Person bete? Oder empfange ich dann seine Sünden oder sogar seine Krankheiten?
Bevor ich auf die Bibelstelle eingehe, hier erstmal ein paar allgemeine Gedanken. Was ist der Wille Gottes? Was hat Jesus seinen Jüngern und auch uns aufgetragen? Sollen wir uns von den anderen Menschen distanzieren? Soll ich mich von Kranken und Sündern fern halten, damit sie mich nicht anstecken? Am besten beschimpfen wir sie noch, dass sie sich ja nicht in unsere Nähe kommen. Und erst recht nicht in unseren Gottesdienst. Nachher bricht im Reich Gottes noch eine Pandemie aus und wir werden alle wieder zu Sündern und krank allein nur durch Berührungen und weil wir falschen Menschen die Hände auflegen?Wir könnten ganz alttestamentlich rufen: Unrein! Unrein! Unrein! Dabei wären wir nicht die Ersten. Denn die Pharisäer haben genau so gehandelt. Wie stand Jesus zu diesem Verhalten der Pharisäer? Sollen wir ihrem Beispiel folgen? Hat Jesus so gehandelt? Hier mal eine kleine Kostprobe:
Matthäus 8 – Jesus berührt und heilt einen Aussätzigen
1 Als er aber von dem Berg herabstieg, folgte ihm eine große Volksmenge nach.
2 Und siehe, ein Aussätziger[*1] kam, fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen!
3 Und Jesus streckte die Hand aus, rührte ihn an und sprach: Ich will; sei gereinigt! Und sogleich wurde er von seinem Aussatz rein.
[*1] Aussatz war eine Hautkrankheit, die in der Bibel die Folgen der Sünde versinnbildlicht; sie machte den Erkrankten nach dem mosaischen Gesetz unrein und führte zum Ausschluss aus der Gemeinschaft (vgl. 3Mo 13.14).
Ohaaa!!! Was hat Jesus da getan? Seine erste Reaktion war: ER RÜHRTE IHN AN! Und sagte: ICH WILL!!!!!
Denkst du Jesus hat seine Meinung geändert? Immerhin sollen wir Ihm ja nachfolgen. Aber Jesus ändert sich nicht. Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und auch in Ewigkeit! (Hebr 13,8 ).
Aber wir können auch gerne nochmal ganz konkret hereinschauen, was er seinen Jüngern gesagt hat:
Matthäus 10,8 Heilt Kranke, reinigt Aussätzige, weckt Tote auf, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr es empfangen, umsonst gebt es!
Kurze Gegenfrage: Was ist eigentlich der Wille des Teufels? Krankheit, keine Heilung, Gebundenheit, keine Freiheit, Isolation, Zerstörung, etc.
Was denkst du, von wem, kommt diese Angst: “Hilfe, kann mir etwas passieren, wenn ich für andere Menschen bete und dabei die Hände auflege?” 🙂 Möchte Gott, dass du “vorsichtig” bist für andere Menschen zu beten? Musst du Angst haben? Nein, du bist in Christus und versiegelt mit dem Heiligen Geist und 1.Johannes 4,4 sagt: Ihr seid aus Gott, Kindlein, und habt sie überwunden, weil der, welcher in euch (wirksam) ist, stärker ist als der in der Welt.
Nun zum Kontext von 1.Timotheus 5,22:
1.Timotheus 5,22 Die Hände lege niemand schnell auf, mache dich auch nicht fremder Sünden teilhaftig; bewahre dich selbst rein!#
Hier gilt die goldene Regel: Niemals ein Bibelvers allein nehmen, sondern sich immer den Kontext anschauen, in welchem Umfeld dieser gesprochen wurde.
In 1.Timotheus 5,22 geht es um das ganze Thema Gemeindeleitung und Älteste zu berufen.
Timotheus soll sich nicht nur mit der Absetzung von Ältesten befassen, sondern auch bei der Auswahl von Ältesten sehr vorsichtig sein. Eile im Sinne von unbedachter Hast wird in den Sprüchen oft gerügt (Sprüche 14:29; 21:5; 29:20).
Offenbar war das Handauflegen in dieser Zeit eine gängige Tradition zur Bestätigung von Ältesten in der Ortsgemeinde. Es war auch eine Tradition, die Timotheus erlebt hatte (1. Timotheus 1,14), einschließlich der Hände des Paulus (2. Timotheus 1,6), wahrscheinlich in Lystra, bevor er das erste Mal mit ihm reiste (Apostelgeschichte 16). Diese Tradition des Handauflegens auf Leiter wurde sicherlich von der jüdischen Tradition der Einsetzung von Leitern im Alten Testament übernommen (wie z. B. Mose und Josua in Numeri 27,18-23).
Timotheus soll die Ältesten auf der Grundlage der vorherigen Anweisungen des Paulus auswählen (1. Timotheus 3,1-7). Er soll sich nicht an den Sünden anderer beteiligen oder gar mit ihnen in Verbindung gebracht werden. Paulus hatte hier wahrscheinlich die Irrlehrer von Ephesus im Sinn, denn diese Männer wollten leiten, waren aber ungeeignet dazu (1. Timotheus 1,7). Timotheus sollte sich stattdessen “rein halten”, ein allgemeines Gebot für Gläubige (1. Timotheus 1,5; Jakobus 1,27).
In dem Zusammenhang geht es darum, bei der Einsetzung eines Ältesten in die Gemeindeleitung nicht ZU SCHNELL jemand die Hände aufzulegen (und somit offiziell zu bestätigen), sondern das Leben derer zu prüfen, die die Gemeinde mitleiten sollen.
Du siehst, es hat inhaltlich nichts damit zu tun, ob ich Menschen die Hände auflegen darf, wenn ich für sie persönlich bete. Ich empfinde es (und so zeigt es mir auch die Apostelgeschichte) als sehr kraftvoll, wenn wir das sogar tun. Gott möchte unbedingt, dass wir das tun, was Jesus auch schon getan hat, nämlich in der Kraft des Heiligen Geistes die Werke des Teufels zu zerstören. 🙂 Lass dich nicht aufhalten, für Menschen zu beten.
Ich hoffe, es hilft dir. Ich habe diesen Text aus einem spontanen Gespräch heraus rasch runtergeschrieben, was meine ersten Gedanken waren. Nimmt es mir bitte nicht übel, wenn ich hier nicht alles perfekt formuliert habe oder sogar Folgegedanken ausgelassen habe. Wenn euch noch etwas zu diesem Thema einfällt oder ihr sogar Einwände habt, schreibt es gerne in die Kommentare. Das war einfach eine spontane Antwort, die sich aus einem persönlichen Gespräch ergeben hat. Aber ich hatte es auf dem Herzen, diese hier aufzuschreiben und zu teilen. Für Verbesserung bin ich natürlich offen. 🙂
Gottes Segen euch!
https://rogerliebi.ch/r275-14-1tim-5-22-25/
Bitte , ab 1 Std.und 4.min.anhören .
Ein wiedergeborener Christ ,ich kenne keinen der so gründlich reflektirend die Bibel auslegt.Diese Frage beantwortet er,warum soll ich Seine biblisch begründeten Worte in meinen Mund legen?!
Dr. theol. Roger Liebi (Dipl. Mus., B.Th., M.Th., Th.D.) wurde 1958 in Zürich geboren. Er ist verheiratet und Vater von sechs Kindern. Er studierte am Konservatorium und an der Musikhochschule in Zürich Musik (Hauptfachstudien in Violine und Klavier). Danach folgten Studien in den Sprachen der biblischen Welt (Griechisch, klassisches und modernes Hebräisch, Aramäisch, Akkadisch). Im Anschluss daran absolvierte er auch ein Studium der Theologie.
Am Whitefield Theological Seminary in Florida (USA) promovierte er schliesslich in den Fachbereichen Judaistik und Archäologie mit einer Dissertation über den Zweiten Tempel in Jerusalem.
Er ist als Bibellehrer und Referent weltweit tätig. Als Bibelübersetzer hat er im Rahmen von mehreren Projekten mitgewirkt. Aus seiner jahrelangen Beschäftigung mit der Heiligen Schrift und mit angrenzenden Gebieten (Musik, Linguistik, Naturwissenschaften, Geschichte, Archäologie) sind zahlreiche Veröffentlichungen hervorgegangen.
In den Jahren 2004 bis 2011 lehrte er als Hochschuldozent Archäologie Israels und des Nahen Ostens.